Das „Rössl“ in pink-türkis

Das „Rössl“ in pink-türkis

Stehende Ovationen bei Premieren sind bei den Schlossfestspielen Neersen keine Seltenheit, seitdem Jan Bodinus Intendant ist. Aber der Applaus für das Rössl-Ensemble, Regisseur Lajos Wenzel, Ausstatterin Silke von Patay, den musikalischen Leiter Stephan Ohm und die Choreographin Kerstin Bruhn war schon rekordverdächtig.

Zum ersten Mal in 35 Jahren hat das Ensemble der Schlossfestspiele eine Aufführung mit Live-Musik und -Gesang geboten. Möglich war dies nur dank einer neuen Tontechnik, die eigens dafür angeschafft wurde. Statt auf ein gängiges Musical zu setzen, entschied sich Intendant Bodinus aber für eine klassische Operette: „Im Weißen Rössl“ von Hans Müller und Erik Charell mit Musik von Ralph Benatzky.

Nur auf den ersten Blick ein hohes Risiko. Denn beim Live-Theater kommt es nicht so sehr darauf an, was man spielt, sondern wie man es spielt. Und diese Ensemble-Leistung am Samstagabend bei schönstem Wetter war einfach grandios. Schon die Ausstattung begeisterte. Das große pinke Rössl an der Schlossfassade und die immer wiederkehrende Farbe Türkis in den Kostümen der Schauspieler (sogar die Schuhbänder des Oberkellners Leopold waren türkis) signalisierten: Wir befinden uns im Jahr 2018 und das wird man dem Stück anmerken.

Das Beste des Abends war aber die Leistung der Schauspieler. Mit einer dezenten Prise Ironie und einer ansteckenden Spielfreude holten sie die verstaubte Handlung ins hier und heute. Während im Hotel „Zum weißen Rössl“ am Wolfgangsee Hochsaison herrscht, versucht der Oberkellner Leopold (Matthias Freihof) die Wünsche der Gäste zu erfüllen und gleichzeitig die Aufmerksamkeit der feschen Wirtin Josepha Vogelhuber (Tanja Schumann) zu gewinnen. Josepha hat sich aber in den Rechtsanwalt Dr. Siedler (Thomas Kahle verguckt. Und da sind dann noch der bärbeißige Textilfabrikant Wilhelm Giesecke (René Hofschneider) und seine Tochter Ottilie (Anne Bedenbender), Professor Hinzelmann (Sven Post) und seine Tochter Klärchen (Maria Arnold) sowie Sigismund Sülzheiner (Sebastian Teichner) und schon ist die Verwirrung – wer mit wem und warum – komplett. Aus diesem Kreis jemanden hervorzuheben, ist eigentlich unzulässig, aber Freihof und Hofschneider setzten am Samstag der Ensemble-Leistung die Sahnehäubchen auf. Darüber sollen die gelungenen Auftritte des Piccolo (David Imper), der Briefträgerin Kathi (Reinhild Köhncke), der Zimmermädchen (Kerstin Bruhn, Vanessa Frankenbach) sowie des Kaisers (Kay Szacknys) nicht vergessen werden.

Die Lieder, beispielsweise „Die ganze Welt ist himmelblau, wenn ich in deine Augen schau“ oder „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“, sind so eingebaut, dass sie nicht dominieren. Gleichzeitig werden sie für beeindruckenden Szenen genutzt, bei denen sich das gesamte Ensemble – geführt von Kerstin Bruhn – präsentieren kann (sogar beim Schuhplattelern). Schöne Bilder, die man so schnell nicht vergisst.

„Im weißen Rössl“ wird bis zum 17. August noch zwölf Mal aufgeführt. Wer noch keine Karten reserviert hat, sollte sich beeilen. Sonst heißt es bald „Ausverkauft!“, wie bei der Komödie „Charleys Tante“ mit Kalle Pohl.

(StadtSpiegel)